Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
anbei ein Call für eine Ad-hoc-Gruppe "Macht der Methodologie
-Methodologie der Macht" auf dem diesjährigen Soziologiekongress in
Göttingen.
Herzliche Grüße
Andreas Schmitz
Call for Papers für die Ad-hoc-Gruppe
Macht der Methodologie – Methodologie der Macht
auf dem DGS-Kongress 2018 in Göttingen
Organisation:
Andreas Schmitz & Julian Hamann (Universität Bonn)
Nina Baur (TU Berlin)
Die Analyse von Machtverhältnissen stellt ein zentrales Anliegen
soziologischer Forschung dar, die sich dafür traditionell
unterschiedlicher methodischer Mittel bedient. Inwiefern aber ist Macht
in sozialwissenschaftliche Methoden und Methodologien selbst
eingelassen? Inwieweit werden Macht- oder sogar Herrschaftsverhältnisse
durch den Gebrauch sozialwissenschaftlicher Methoden reproduziert? Die
mit der Ad-hoc-Gruppe beabsichtigte, machttheoretisch sensibilisierte
Methodenreflexion möchte die gesellschaftliche Einbettung des
Methodengebrauchs berücksichtigten und die Frage stellen, wie sich über
den Gebrauch sozialwissenschaftlicher Methoden Macht- und
Herrschaftsverhältnisse aktualisieren.
Bereits die Definition der Untersuchungsziele und Forschungsfragen
antizipiert die Erwartungen und Ansprüche von wissenschaftlichen
BetreuerInnen, privatwirtschaftlichen Auftraggebern und öffentlichen
Geldgebern. Der Einfluss politischer Interessen ist zum Beispiel in der
Armuts- und Ungleichheitsforschung zu beobachten. In ähnlicher Weise
sind Strukturen und Kategorien webgenerierter Prozessdaten häufig an
betriebswirtschaftlichen und technischen Notwendigkeiten orientiert.
Gesellschaftliche Teilbereiche und deren Logiken sind insofern
unhintergehbar in methodisch produziertes Wissen eingeschrieben, ein
Wissen, das sich immer schon in einer Situation der Konkurrenz um
Deutungshoheit zu anderen Wissensformen befindet. In umgekehrter Weise
zeitigt auch die Anwendung sozialwissenschaftlicher Methoden mitunter
gesellschaftliche Machteffekte. Die in der standardisierten
Befragungsforschung hergestellten Kategorien tragen etwa zur
Bereitstellung gesellschaftspolitischen Wissens und zur Konstruktion der
„öffentlichen Meinung“ bei und sind insofern an der Reproduktion
gesellschaftlicher Machtverhältnisse beteiligt. Aber auch qualitative
Verfahren sind nicht von Machteffekten freizusprechen, insofern auch
hier häufig Fragstellungen und Kategorien mobilisiert werden, die nicht
der Lebenswelt der untersuchten Subjekte entstammen. Machtverhältnisse
zwischen forschendem und beforschtem Subjekt zeigen sich nicht nur in
der Anwendung von Methoden, sondern auch in Hinblick auf die
sozialstrukturelle Verortung der Forschungssubjekte und -objekte.
Bereits die Befähigung zum bestimmungsgemäßen Umgang mit Fragebögen
variiert wesentlich entlang sozialstruktureller Voraussetzungen. In
ähnlicher Weise beruht das „Gelingen“ nicht-standardisierter Interviews
auf einer Passung der habituellen Dispositionen von Forscherinnen und
Interviewten. Weiterhin erweist sich Macht als Konstituente der
methodisch angeleiteten Wissensproduktion mit Blick auf die Verhältnisse
zwischen an der Forschung beteiligten Organisationseinheiten. Zu denken
ist hier etwa an den Prozess der kollektiven Wissenserzeugung in
objektiv-hermeneutisch forschenden Arbeitsgruppen oder an die Delegation
von technischen Routinearbeiten in der quantitativen Sozialforschung.
Methodisch vermittelte Machtdynamiken zeigen sich auch innerhalb
sozialwissenschaftlicher Diskurse. Hier stehen etwa die VertreterInnen
methodischer Verfahren in Konkurrenzverhältnissen um die „richtige“
Ausübung einer Methode. Paradigmenübergreifend ist insbesondere an
Konflikte zwischen AnhängerInnen quantitativer und qualitativer Methoden
zu denken: Bei diesen geht es um verallgemeinernde Definitions- und
Geltungsansprüche „legitimer“ Forschungslogiken, wie auch um die
Verteilung materieller Ressourcen.
Nicht zuletzt im Licht aktueller Debatten um die „analytische“
Beobachtbarkeit der Gesellschaft und den gesellschaftlichen „Impact“
sozialwissenschaftlichen Wissens, möchte die Ad-hoc-Gruppe einen Beitrag
zur Reflexivität der Sozialforschung leisten, indem sie VertreterInnen
verschiedener und in der Regel isoliert forschender Paradigmen vereint
und dazu einlädt, Macht und Herrschaft als Konstituenten des
sozialwissenschaftlichen Methodengebrauchs und der eigenen
wissenschaftlichen Praxis zu reflektieren.
Beitragsvorschläge (max. eine Seite) erbitten wir bis zum 25. April 2018 an:
andreas.schmitz(a)uni-bonn.de und hamann(a)uni-bonn.de
--
Dr. Andreas Schmitz, M. A.
Abteilung für Soziologie
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Lennéstr. 27